Wir brauchen einen Plan!


Ist der erste Schock einmal verdaut, ist der nächste Schritt sich mit der neuen Situation vertraut und einen Plan zu machen und ins Handeln zu kommen.

Early Intervention, die frühe und intensive Therapie, um die Neuroplastizität des kindlichen Gehirns noch voll auszunützen, ist kein Sprint sondern ein Marathon, der über mindestens 3 Jahre geht. Bereiten Sie sich darauf vor. Sie als Elternteil sind ein wichtiger Bestandteil des Therapieerfolges!

Sie brauchen also eine Kinderärztin oder Neuropädiaterin ihres Vertrauens. Diese soll Sie dabei unterstützt, dass ihr Kind so rasch wie möglich eine Rehabilitation erhält – in den ersten Lebensjahren idealerweise 2x pro Jahr, für 3-4 Wochen – und die mit Ihnen auch medizinische Interventionen evaluiert und plant. Dazwischen benötigen Sie Ergo- und Physio- und bei Bedarf Logopädie im heimatlichen Umfeld.

Besprechen Sie bei ihren Arzt-Kontrollbesuchen immer genau welche Untersuchungen laut Leitlinie wann und wie oft zu machen sind. Zum Beispiel:

  • Ein MRT um den genauen Umfang der Verletzung und die betroffenen Bereiche im Gehirn zu ermitteln. Das kann z.B. darauf hindeuten, ob mit einer Beeinträchtigung des Sprachzentrums zu rechnen ist.
  • Auch regelmäßige ophthalmologische Untersuchungen (Augenarzt) sind wichtig
  • Röntgen Untersuchungen der Hüfte, da die Hüfte sich bei Kindern erst richtig ausformt, wenn diese mit dem Stehen beginnen. Bei Kindern mit Entwicklungsverzögerung, kann es daher zu Fehlstellungen kommen, denen man so rechtzeitig entgegenwirken kann.
  • Regelmäßige Kinder Neuro-Orthopädische Kontrollen und Abklärung ob orthopädische Hilfsmittel gebraucht werden – so diese nicht im Zuge einer Reha verordnet werden, evt. ergänzt durch Ganganalysen in einem Ganglabor.
  • EEGs um Epilepsien im Auge zu behalten. Diese kommen bei neurologischen Erkrankungen sehr oft als Begleiterscheinung vor.
  • Optional eine genetische Untersuchung, um Gendefekte auszuschließen.

Da es in Österreich derzeit noch kein neurologisches Kompetenzzentrum und kein Early Intervention Programm für Kinder gibt, ist aus heutiger Sicht ist die Schön Klinik Vogtareuth in Bayern die beste Adresse, da dort medizinische Behandlung und Therapie interdisziplinär stattfinden und ein Early Intervention Intensiv-Programm bereits ab dem 3. Lebensmonat angeboten wird.

  • Liste aller neuropädiatrischer Ambulanzen in Österreich zur raschen Abklärung. Alternativ können Sie auch einen niedergelassenen Neuropädiater für eine Zweitmeinung aufsuchen.
  • Liste aller Kinder-Reha Standorte in Österreich, um möglichst früh mit einer Intensivtherapie zu starten. Aktueller Standard ist bereits ab dem 3. Lebensmonat mit einer Therapie zu beginnen. Ab diesem Alter beginnen sich Kinder für Spielzeug zu interessieren.
  • Liste der Reha Standorte im benachbarten Ausland

Es gibt viele Therapiearten, aber leider noch keinen Standard, wie mit Zerebralparese zu verfahren ist. In Australien werden solche Standards gerade etabliert und auch online AHA-Test Ausbildungen für Therapeuten angeboten.

Therapien sind z.B.

  • CIMT – Constraint-Induced Movement Therapy (Ergotherapie)
  • Bimanuelles Training (Ergotherapie)
  • Botulinumtoxin-Injektionen oder neu: Kryoneurolyse (derzeit nur im Ausland erhältlich)
  • DMI – Dynamic Movement Intervention oder CME – Cuevas Medek Exercises
  • Chiropraktik und Osteopathie
  • Reittherapie
  • Wassertherapie
  • Orthopädische Hilfsmittel
  • Neuroorthopädische Operationen z.B. SDR Operationen bei bilateralen Spastiken oder Myofasziotomien
  • Medikamentöse Behandlungen gegen Spastiken
  • Physiotherapie nach Bobath oder Vojta, Yoga
  • Uvm…

Diese „State of the Evidence Traffic Lights 2019“ von Iona Novak et al. Übersichtsstudie bietet einen evidenzbasierten Leitfaden zur Prävention und Therapie von Zerebralparese (CP) bei Kindern. Sie analysiert die Wirksamkeit zahlreicher Interventionen anhand eines Ampelsystems und stützt sich auf über 200 systematische Reviews, die zwischen 2012 und 2019 veröffentlicht wurden.

Die grün markierten Therapiearten sind in dieser Studie als besonders wirksam hervorgegangen.

Quelle und größere Auflösung: Figure 2 | State of the Evidence Traffic Lights 2019: Systematic Review of Interventions for Preventing and Treating Children with Cerebral Palsy | Current Neurology and Neuroscience Reports

Sie sind die Eltern, nicht die Therapeuten. Behalten Sie das immer im Auge. Ihr Kind muss sich darauf verlassen können.

Aber dennoch sind Sie für ein gutes Ergebnis dafür verantwortlich, dass bestimmte Übungen im Alltag wiederholt und damit trainiert werden. Sie als Eltern sind ein wesentlicher Bestandteil in der Therapie Ihres Kindes.

Beobachten Sie die Spiele in der Ergo- und Physiotherapie genau und wiederholen Sie diese Übungen daheim.

Für das Erlernen neuer Bewegungsmuster sind etwa 100 bis 300 Wiederholungen notwendig. Um eine falsche Bewegung zu korrigieren, sind oft deutlich mehr, also über 3000 Wiederholungen, nötig.

Legen Sie einfache Übungen fest, die Sie in den kommenden Wochen in den Alltag integrieren wollen. Z.B. Schraubbehälter öffnen, Hände über den Kopf heben, mit den Füßen etwas Anstupsen, je nach Bewegungsmöglichkeit Ihres Kindes. Auch ein Baby-Gebärdenzeichen, z.B. für Milch können geübt werden. Besonders Alltägliches kann eine gute Übung sein, z.B. Händewaschen, Zähneputzen, Kleidungsstücke an- und ausziehen, beim Spielzeug wegräumen helfen.

Das Wachstum ihres Kindes arbeitet gegen Sie. Um Verkürzungen und Kontrakturen vorzubeugen, ist Botox und die rechtzeitige Versorgung von Orthesen ihre beste Option. Regelmäßiges Dehnen der spastischen Muskeln hat zwar keinen therapeutischen Effekt, gibt aber Aufschluss über die Beweglichkeit und eine Veränderung! Lassen Sie sich von ihrem Physiotherapeuten das richtige Dehnen zeigen und machen Sie ein Ritual daraus. Z.B. jedes Mal beim Wickeln, oder in der Früh beim Anziehen und abends beim zu Bett gehen.

Auch die Zeit arbeitet gegen Sie, denn bei allen Kindern kommt der Punkt, an dem Sie einfach keine Lust mehr haben, an Therapien teilzunehmen. Dieser Wunsch nach Autonomie ist zu akzeptieren, auch wenn viele es später als junge Erwachsene bereuen. Sehen Sie die Zeit bis es so weit ist, als Bewegungskapital, das sie für Ihr Kind ansparen.

Bei Spastiken in den Beinen ist das Stehen sehr wichtig, um Hüftproblemen vorzubeugen. Sorgen Sie, wenn notwendig, rechtzeitig für eine Stehhilfe. Wenn ihr Kind gehen kann, sorgen Sie dafür, dass es oft bergauf geht, oder im Spiel Dinge schiebt, um die Wadenmuskulatur immer wieder zu dehnen. Besprechen Sie zeitnah eine Versorgung mit Orthesen, um Fehlstellungen wie einem Spitzfuß entgegenzuwirken.

Wenn ihr Kind eine Hemiparese, eine unvollständige Halbseitenlähmung hat, dann kann ein regelmäßiger AHA Test, ein standardisierter Test, der die Funktion der oberen Extremität misst, Aufschluss über eine mögliche Verbesserung oder Verschlechterung des Bewegungsumfangs geben. AHA Tests können von dafür zertifizierten Ergo-Therapeuten gemacht werden.

Eine frühe Unterstützung in der motorischen Entwicklung ist wichtig, insbesondere, da kognitive Entwicklung und Sprache mit motorischer Entwicklung einher gehen.

„No TV under three“ – bildschirmfrei bis drei. Versuchen Sie wenn möglich Bildschirmzeiten unter 3 Jahren gänzlich zu verhindern und ihr Kind so aktiv wie möglich einzubinden, um Aufmerksamkeit und soziale Verhaltensmuster zu fördern.

Besprechen Sie mit ihren Ärzten, ob eine Nahrungsergänzung von Vitamin B für die Gehirnentwicklung bei Ihrem Kind förderlich sein könnte.

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